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Der Weiße Andorn – das bittere Kraut des Passah-Festes

Der Weiße Andorn gehört zu den ältesten Heilpflanzen, doch bei uns ist die Pflanze im 20. Jahrhundert in Vergessenheit geraten. Die Anzahl neuerer Forschungsarbeiten zeigt aber, dass das alte Heilkraut auf dem Weg ist, neu entdeckt zu werden.

In der altägyptischen Medizin spielte der Weiße Andorn eine große Rolle. Vor allem als Gegengift, aber auch zur Behandlung von Krankheiten der Atemwege wurde der „Same des Horus“ eingesetzt. Der berühmteste Arzt der Antike, Hippokrates setzte Andorn bei Geschwüren und Tuberkulose ein. Ein breites Anwendungsspektrum führen die großen Kräuterbücher des Mittelalters auf: Hautausschläge, Geschwüre, Seitenstechen, Leber-Galle-Beschwerden, Verstopfung und Atemwegskrankheiten. Auch Frauenleiden, besonders mit Blutarmut einhergehende mangelhafte Menstruation sowie die schmerzhafte Menstruation, wurden mit Andornkraut thera-piert.
Der Andorn gehörte zu den 24 Kräutern des berühmten „Hortulus, Liber de cultura hortorum“ aus dem Jahr 827. In Gedichtform schildert Walahfrid Strabo, der Abt des Klosters Reichenau, Eigenschaften und Besonderheiten der in seinem Apothekergarten kultivierten Kräuter. Er empfahl den Andorn „heiß vom Feuer geschlürft“ und „becherweise zu trinken“ gegen „arge Beklemmung der Brust“. Wie für die alten Ägypter stellte der Andorn auch für ihn ein starkes Gegengift dar, sogar dann wirksam, wenn Stiefmütter in Speisen „verderblich Eisenhut mengen“. Für die Äbtissin Hildegard von Bingen (12. Jahrhundert) war Andorn eine wichtige Arznei bei Atemwegserkrankungen und Magen-Darm-Leiden. Auch für den Arzt und Alchemisten Paracelsus aus dem 16. Jahrhundert hatte die Pflanze eine große Bedeutung bei der Therapie von Atemwegsinfekten. Er bezeichnete Andorn als „Arznei der Lunge“.
Der Weiße Andorn spielte auch in Volksglauben und Brauchtum eine Rolle. Magische Kräfte wurden ihm zugeschrieben, er galt als hexenvertreibend, besonders wenn er in der Johannisnacht geschnitten wurde. Er gehört auch zu den fünf bitteren Kräutern, die beim jüdischen Passah-Fest traditionell verzehrt werden.

Der Weiße Andorn wird wissenschaftlich Marrubium vulgare genannt. Ursprünglich war die Pflanze vom Mittelmeergebiet bis Zentralasien beheimatet. Durch ihre Kultivierung und anschließende Verwilderung ist sie auch nördlich der Alpen anzutreffen. Selbst auf dem amerikanischen Kontinent und in Australien konnte sie sich verbreiten. So fand der Weiße Andorn auch Eingang in die Volksheilkunde Mittel- und Südamerikas. Botanisch zählt Andorn zur Familie der Lippenblütler. In Mitteleuropa findet man die ausdauernde Staude – allerdings nicht häufig – an trockenen, warmen, sonnigen Standorten an Hecken und Zäunen, Weiden und Wegrändern und in Unkrautfluren von Dörfern. Die 30–60 Zentimeter hohen, vierkantigen Stängel sind hohl, und wie die kurz gestielten, 3,5 Zentimeter breiten, gewellten Blätter filzig behaart. Von Juni bis August erscheinen weiße Blüten in kugelähnlichen, reichblütigen, direkt am Stiel sitzenden, sogenannten Scheinquirlen. Andorn lässt sich im Garten an einem sonnigen, warmen Platz gut kultivieren.
Arzneilich verwendet wird das Kraut, das geschnitten wird, wenn die Blüten sich entfaltet haben. Es enthält vor allem Gerb-und Bitterstoffe wie Marrubiin, weiterhin Flavonoide und in geringen Mengen ätherisches Öl. Sein Bitter- und Gerbstoffgehalt kann bis zu 7 Prozent betragen. Die Inhaltsstoffe haben eine schleimlösende, auswurffördernde Wirkung auf die Atemwege. Darüber hinaus wirken sie entzündungshemmend, schleimhautstärkend und antibakteriell. Sie erleichtern das Abhusten von Schleim und lindern den Husten. Er ist bei akuten Atemwegsinfekten aber auch bei chronischer Bronchitis und Asthma angezeigt und kann als Tee, Extrakt oder als Frischpflanzensaft verwendet werden.

• Antibakterielle Wirkung:
Mit den antibakteriellen Eigenschaften des Andorns beschäftigten sich schon verschiedene Forscherteams. In einer im März 2009 veröffentlichten Arbeit unter-suchten marrokanische Wissenschaftler die antibakterielle Wirkung einiger Heilpflanzen gegen Streptococcus pneumoniae, einem Bakterium, das ein häufiger Auslöser von Lungentzündungen, Schnupfen, Halsschmerzen, Ohr- und Nasennebenhöhlenentzündungen ist. Sie konnten zeigen, dass Extrakte des Weißen Andorns eine eindeutige antimikrobielle Wirksamkeit gegenüber diesem Bakterium aufweisen. Damit bestätigten sie die Richtigkeit der Empfehlung der Ärzte aus frühester Zeit, die Pflanze bei Atemwegsinfekten einzusetzen. Ebenfalls neuere Forschungsarbeiten geben Hinweise auf eine Wirksamkeit von Andornzubereitungen bei asthmatischen Beschwerden.

• Verdauungsanregende Wirkung:
Die Bitterstoffe des Andorns haben auch verdauungsfördernde Eigenschaften. Sie regen die Sekretion von Magensaft und Galle an und helfen somit bei Appetitlo-sigkeit, Blähungen und Völlegefühl. Durch die Einnahme von Andornpresssaft vor dem Essen kann diesen Beschwerden vorgebeugt werden. Durch seinen hohen Gerbstoffgehalt zusammen mit den ätherischen Ölen ist Andorn auch bei Durchfällen ein wirksames Mittel.
Naturreiner Frischpflanzenpresssaft aus Andornkraut, ohne Alkohol und Konservierungsstoffe, aus heimischem, biologischem Anbau stammend, ist in Apotheken und Reformhäusern erhältlich.

Andorn-Tee
Zubereitung: 2 Teelöffel fein zerschnittenes Andornkraut werden mit 1/4 Liter kochendem Wasser übergossen und nach 5–10 Minuten abgeseiht. Zur Gallensaftanregung wird vor den Mahlzeiten 1 Tasse getrunken, bei Husten mehrmals täglich 1 Tasse.

Stefanie Burkhardt-Sischka

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