Essen für eine stabile Psyche

Wollen wir dank einer guten Ernährung stressresilienter werden, Stimmungsschwankungen verbessern und unsere geistige Leistungsfähigkeit erhalten? Oder wollen wir uns unglücklich, gestresst und langfristig dement essen? Tatsächlich reagiert unser Gehirn – und damit auch unsere Psyche – wesentlich sensibler auf die Ernährung als der Rest unseres Körpers. Die neueste Forschung zeigt: Eine Ernährungsweise, die uns psychisch stabiler macht, ist möglich! Gesunde Biostoffe können das Stresszentrum in unserem Gehirn sanieren und sogar schwere Depressionen lindern. Die meisten Menschen spüren intuitiv, dass ihr Körper unter einer schlechten Ernährung leidet. Doch wie steht es um das Gehirn und unsere Psyche? Tatsache ist: Schon die kleinsten biochemischen Veränderungen wirken sich auf unsere feinen Nervenzellen im Gehirn aus! Eigentlich wissen wir es längst: Wir nutzen zur Glücksoptimierung Süßes, Fettes, Alkohol und alle möglichen anderen Substanzen. Doch genau diese Stoffe sind es, die unsere Stimmung, unsere geistige Leistungsfähigkeit und unsere Gehirngesundheit langfristig entgleisen lassen. Die essbaren Stimmungsfallen: hochverarbeitete Lebensmittel Zu süß, zu fettig, zu viele Kalorien und Zusatzstoffe einerseits – zu wenig Ballaststoffe, Vitamine und Mineralien andererseits: Beobachten wir doch einmal, was in den meisten Einkaufswagen an der Supermarktkasse vor uns liegt: Tiefkühlpizzen, Fertiggerichte, hochverarbeitete Frühstücksflocken, überzuckerte Milchprodukte, fertige Soßen, Chemie-Cocktails (auch als Softdrinks bezeichnet), gemischte Schlachtreste (auch als Wurst bezeichnet), fettige Snacks sowie Süßwaren und Co. Diese ultraverarbeiteten Lebensmittel machen inzwischen 56 % der Ernährung der Deutschen aus, bei Kindern sogar bis zu 70 %. In dieser Industrienahrung ist nichts drin, was unser Gehirn schützen oder sanieren könnte. Die Lebensmittelindustrie hat unsere Ernährung übernommen – und damit unseren Gehirn-Stoffwechsel und die Psyche. Instabile Psyche durch ultraverarbeitete Lebensmittel Auch wenn immer viele Faktoren zu Erkrankungen führen, Studien aus den USA und Frankreich zeigen: Bei gesunden Teilnehmern, die bislang keinerlei Depressionen hatten, stieg das Risiko für ebensolche um bis zu 35 % an, je mehr ultraverarbeitete Lebensmittel gegessen wurden. Doch schon lange bevor sich eine Depression zeigt, macht eine solche Industrienahrung stressanfällig, übellaunig und psychisch instabil, denn das Gehirn verändert sich auch strukturell. Es wird immer mehr von Entzündungen betroffen, in bestimmten Bereichen sogar abgebaut, und es altert vorzeitig. Eine Ernährung hingegen, die reich an aktiven natürlichen Substanzen, sogenannten Biostoffen ist, senkt das Risiko für Depressionen um bis zu 36 %. Dies zeigt eine Meta-Studie aus dem Jahr 2019, die insgesamt 41 Studien mit mehr als 200.000 Teilnehmern zusammenfasste, welche über einen Zeitraum von 11 Jahren beobachtet worden waren. Leider bedeutet heute, sich abwechslungsreich zu ernähren, für viele: zur Hälfte Hochverarbeitetes und nur wenige Lebensmittel, die unsere Urgroßmutter so aus ihrem Garten geholt hätte. Nur Ernährungsbewusste schaffen es, täglich 2 bis 3 Portionen Obst und Gemüse zu essen. Noch vor 100 Jahren waren es täglich 7 bis 9 Portionen „pflanzenstoffbepackte“ und zu 100 % unverarbeitete Nahrungsmittel für unseren Organismus. Der Preis einer abnehmenden Gehirngesundheit 70 % aller Erkrankungen sind inzwischen ernährungsbedingt. Erst seit kurzer Zeit weiß man, wie stark auch das Gehirn davon betroffen ist. Und die Gehirngesundheit wirkt sich direkt auf die Psyche aus, denn: Alles, was wir wahrnehmen, läuft durch unseren „Biocomputer“ und wird dort eingefärbt. Ist unser Gehirn gestresst, werden auch wir psychisch instabiler. Derzeit rollt, teilweise auch ernährungsbedingt, eine regelrechte Welle von psychischen Erkrankungen, Burn-out und Depressionen auf uns zu. Dabei haben die Deutschen historisch betrachtet noch nie zuvor in einem derartigen Wohlstandsumfeld und in Sicherheit gelebt. Das Problem der abnehmenden Gehirngesundheit ist brisant: • 13 Millionen Deutsche sind nach Schätzungen der Krankenkassen von Burn-out-Symptomen betroffen. Der Übergang von Burn-out zur Depression ist oft fließend. • Die Häufigkeit von Depressionen hat sich in den vergangenen 30 Jahren bereits vervierfacht! Viele trifft es dabei vollkommen unerwartet. • Inzwischen wird jährlich bei 11 % der erwachsenen Deutschen eine neu aufgetretene psychische Erkrankung festgestellt. • Psychopharmaka machen inzwischen den sechsthöchsten Umsatz in Apotheken aus. • Die Kosten durch psychische Erkrankungen liegen direkt hinter jenen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Was kann man nun dagegen tun? Einen wichtigen Baustein stellt die Ernährung dar. Während der Evolution sind ausgeklügelte Mechanismen der Gehirn-Regeneration über Millionen von Jahren verfeinert worden. Auf diese Weise kann unser gesamter Organismus durch eine biostoffreiche Ernährung quasi wieder aufgebaut werden. Biostoffe halten unser Gehirn stabil und schützen es vor zu viel Stress. Sie sind Teil der genetischen Programmierung, die nicht an eine nährstoffentleerte Industrieernährung angepasst ist. Drei grundsätzliche Strategien können uns dabei helfen, unsere Psyche zu stabilisieren: • Mehr Gehirnaufbau durch die richtigen Biostoffe. Diese stimulieren Wachstumsfaktoren, die das Stresszentrum sanieren. • Weniger Gehirnabbau durch eine antientzündliche Ernährung. Entzündungen sind Gift für die Nervenzellen im Gehirn. Sie lösen Stimmungsschwankungen und vorzeitige Gehirnalterung aus. • Ein gesundes Mikrobiom für eine stabile Psyche durch eine pflanzenbasierte Ernährung. Eine gut gefütterte Bakterien-Gemeinschaft im Darm setzt mehr Postbiotika frei. Diese Psychomoleküle und antientzündlichen Botenstoffe halten unsere Gehirnleistung und damit auch unsere Psyche überhaupt erst stabil. Wachstumsfaktoren für den Gehirnaufbau „Ich bin total im Stress“ – das hört man überall. Stress verändert unser Gehirn und nimmt uns so die Lebensfreude. Tatsächlich gibt es nur drei Bereiche im Gehirn, die sich ständig auf- und abbauen. Einer davon ist der Hippocampus, ein zentraler Zwischenspeicher, durch den alles läuft, was wir wahrnehmen und kurzzeitig speichern. Der winzig kleine Hippocampus arbeitet so unter Hochdruck, dass er ständig neue Nervenzellen bildet. Baut sich dieser dynamischste Teil des Gehirns ab und nicht schnell genug wieder auf, sind wir gestresst. Die typischen Folgen eines abnehmenden Hippocampus sind: - Insbesondere unsere Mitmenschen stressen uns immer mehr. - Ein Gefühl, getrieben zu sein, entsteht. - Der klare Kopf für kreative Problemlösungen fehlt. - Das Kurzzeitgedächtnis nimmt ab. - Es kommt zu Stimmungsschwankungen. - Die Lebensfreude lässt nach. - Zunehmende Antriebslosigkeit kann sich breitmachen, denn der Hippocampus macht überhaupt erst das flexible Anpassen an ständig neue Situationen möglich. Deswegen wird er auch gern als das Stresszentrum im Gehirn bezeichnet. Und nun die interessanteste Nachricht: Biostoffe aus unserer Ernährung stimulieren den wichtigsten Wachstumsfaktor BDNF (engl. Brain-Derived Neurotrophic Factor vom Gehirn stammender neurotropher Faktor) für den Aufbau des Hippocampus, des Stresszentrums. Eine schlechte Ernährung hingegen lässt den BDNF-Spiegel sinken. BDNF – Dünger fürs Gehirn Bei BDNF handelt es sich um ein im Körper vorkommendes Wachstumshormon, das eine direkte Wirkung auf unsere Nervenzellen hat. Es gehört zu den Neurotrophinen, also zur Gruppe jener Proteine, die die Entwicklung und Funktion von Nervenzellen fördern und aufrechterhalten. BDNF verhindert das Absterben alter Gehirnzellen und regt das Wachstum neuer Zellen und Synapsen an – und dies ganz besonders in Bereichen, die für unser Gedächtnis und das abstrakte Denken verantwortlich sind. BDNF ist einer der meistuntersuchten Botenstoffe in der Pharmaindustrie. Depressive, Alzheimer-Patienten und viele psychisch Erkrankte haben zu niedrige BDNF-Blutwerte. Auch für das Gedächtnis und das Lernen ist ein ausreichender BDNF-Spiegel besonders wichtig. Mit zunehmendem Alter nimmt BDNF natürlicherweise ab. Dadurch kommt die Erneuerung des Stress- und Kurzzeit-Erinnerungszentrums nach und nach zum Erliegen. Die Gewinn-Möglichkeiten für die Pharmaindustrie wären enorm, könnte mit synthetischem BDNF der Aufbau neuer Nervenzellen im Gehirn stimuliert werden. Dabei gibt es auch natürliche Wege für eine ausreichende Stimulation von BDNF: Biostoffe, körperliche Bewegung und Schlaf stimulieren die Ausschüttung des Wachstumshormons. Smart einkaufen für mehr Gehirnwachstum Doch nun die Frage: Welche Obst- und Gemüsesorten stimulieren BDNF am meisten? Kann man tatsächlich smart einkaufen? Genau das wurde in gut geführten Studien an der University of Reading in Großbritannien getestet. Dazu wurden Teilnehmer in zwei Gruppen eingeteilt. Die eine Gruppe bekam überwiegend dunkles gemischtes Obst und Gemüse nach Hause geliefert, das viele Flavonoide enthält (Himbeeren, Heidelbeeren, Erdbeeren, Pflaumen, Kirschen, dunkelrote Trauben, dunkle Blattgemüse-Sorten, Rotkohl, Grünkohl, außerdem Zitrusfrüchte wie Orangen, rote Pampelmusen, Zitronen). Die zweite Gruppe bekam eine Obst- und Gemüsekiste mit hellen Sorten geliefert, die weit weniger Flavonoide enthalten (Ananas, Bananen, hellen Eisbergsalat, Weißkohl, Blumenkohl, Mais, Salatgurken und keine Zitrusfrüchte). Über 18 Wochen hinweg steigerten beide Gruppen ihren Obst- und Gemüsekonsum stetig. Immer größere Obst- und Gemüsekisten wurden nach sechs und dann nach zwölf Wochen geliefert. Es gab auch eine Kontrollgruppe, die sich „einfach so wie bisher“ ernährte. Das Ergebnis: In beiden Obst- und Gemüsegruppen stieg das Wachstumshormon BDNF je nach Größe der gelieferten Kiste. Vor allem die Menge war entscheidend. Das Außerordentliche jedoch war: In jener Gruppe, die die dunklen, bunten, Flavonoid-reichen Sorten konsumierte, verdoppelte (!) sich der BDNF-Wachstumsfaktor fürs Gehirn in nur drei Monaten im Vergleich zur Kontrollgruppe, bei der sich gar nichts veränderte. Parallel zum ansteigenden BDNF steigerte sich auch die geistige Leistungsfähigkeit der Testteilnehmer. In der Gruppe mit den „smarten“ dunkelbunten und den tiefgrünen Sorten plus Zitrusfrüchten stiegen sowohl BDNF als auch die geistige Leistung besonders stark an. Damit konnte zum ersten Mal gezeigt werden, warum Obst und Gemüse so stark die Stressresistenz, die Stabilität der Stimmung, das Kurzzeitgedächtnis und die geistige Leistungsfähigkeit verbessern. Dank Biostoffen aus dunklem gemischtem Obst und Gemüse ist es also möglich, den Wachstumsfaktor BDNF für die ständige Erneuerung des Hippocampus direkt zu beeinflussen. Eine große Meta-Studie, die insgesamt 17 Studien analysierte, zeigte zudem deutlich, dass das Risiko für Depressionen bei jenen Teilnehmern, die am meisten Obst und Gemüse aßen, um durchschnittlich 25 % sank! Smart einzukaufen bedeutet also, möglichst dunkle Sorten zu kaufen. Weitere Superfoods zur Sanierung von Gehirn und Psyche Trinken Sie sich glücklich mit Kakao: Kakao hat den höchsten Flavonoid-Gehalt aller Lebensmittel und stimuliert ebenfalls BDNF. Gönnen Sie sich also öfter mal eine Tasse entölten Kakao. Dieser enthält nur 12 % Fett, während Schokolade 49 % Fettgehalt aufweist. Am besten einfach mal einen Cappuccino durch einen Kakao ersetzen. Kurkuma gegen den Stimmungsblues: Die gelbe Wurzel führt zur Ausschüttung von beruhigendem Serotonin. Sie stimuliert BDNF und gehört zu den stärksten Entzündungssenkern überhaupt. In einer Studienauswertung von Prof. Laura Fusar-Poli der Universität Pavia in Italien aus dem Jahr 2020 zeigte sich die deutliche antidepressive Wirkung von Kurkuma. Die Wurzel lässt sich ebenso wie Ingwer in allen möglichen Gerichten einsetzen oder auch als „goldene“ Kurkuma-Milch trinken. Weniger Gehirnabbau – antientzündlich essen Stress, wenig Schlaf, Übergewicht und vor allem eine schlechte Ernährung lösen Entzündungen aus. Diese lassen nicht nur unsere Stimmungswerte abfallen, sondern auch das Gehirn frühzeitig altern und degenerieren. Den feinen Neuronen im Gehirn schadet nichts mehr als Entzündungen. Zusätzlich verändern Letztere die ausgeklügelte Biochemie des Glücks, indem sie die Ausschüttung von Glücksbotenstoffen wie Serotonin hemmen. Eine schlechte Ernährung lässt die Entzündungswerte explodieren und drückt damit auf die Stimmung. Tatsächlich lassen sich Lebensmittel in einen genauen Entzündungs-Index einordnen. Dieser Lebensmittel-Entzündungs-Index ist seit Jahrzehnten bestens erforscht. Eine hochverarbeitete entzündliche Ernährung lässt nicht nur das Risiko für Depressionen um bis zu 40 % ansteigen, wie eine Meta-Analyse über 11 Studien von Katie Tolkien der Manchester Metropolitan University ergab, sondern sie heizt auch den geistigen Abbau im Alter an (Meta-Analyse von 13 Studien). Sehr stark erhöhte Entzündungswerte konnten bei knapp der Hälfte der Menschen, die an Depressionen litten, gemessen werden. Den Meta-Analysen lagen Dutzende von aussagekräftigen, gut geführten Studien zugrunde. Anstatt nebenwirkungsreiche, entzündungssenkende Medikamente einzunehmen, wäre mit einer antientzündlichen Ernährung das Ziel wesentlich einfacher zu erreichen. Seit Millionen von Jahren schon werden Entzündungen durch Pflanzenstoffe im Körper in Schach gehalten. Wer eine optimale Stimmung und ein fittes Gehirn möchte, sollte also einfach aus der Dauerentzündungsschleife einer schlechten Ernährung aussteigen. Die Lösung gegen Entzündungen liegt auf dem Teller Eine pflanzenbasierte Ernährung und weniger tierische Fette wirken antientzündlich. Pluspunkte gibt es für Obst und Gemüse, Zitrusfrüchte, ballaststoffreiche Hülsenfrüchte, vor Mineralien und Spurenelementen strotzende Nüsse, potente Super-Antioxidantien aus Gewürzen und Kräutern, stark antientzündlich wirkende Omega-3-Fette aus Fisch sowie gesunde Öle aus Oliven – in knappen Worten also für eine mediterrane Kost. Aufgrund der Molekülmischung wird ein entzündungshemmendes Medikament niemals eine derart potente Wirkung entfalten können. Minuspunkte gibt es hingegen für entzündungsfördernde tierische gesättigte Fette, für Frittiertes, für biostoffarme, hochverarbeitete, fette und zuckerreiche Lebensmittel sowie für hochverarbeitete, ballaststofffreie Kohlenhydrate. Dieses explosive Entzündungsgemisch hinterlässt eine Brandschneise der Zerstörung an unseren Genen sowie an den Gefäßen bis hin zum Gehirn. Entzündungen heizen dabei insgesamt den Alterungsprozess an. Auch hier zeigen Meta-Studien: Eine traditionelle, pflanzenbetonte, mediterrane Ernährung senkt nachweislich Entzündungswerte. Vegetarier haben dabei sogar noch niedrigere Werte. Gesättigte Fette als Stimmungskiller Vor allem die gesättigten Fette aus Fleisch, Käse und fetten Milchprodukten lassen unsere Entzündungswerte explodieren und werden so zum dauerhaften Stimmungskiller. Fettes Junkfood schickt ganz nebenbei noch den Wachstumsfaktor BDNF – den Sanierer unseres Stresszentrums – über Stunden auf Talfahrt. Schon 2 fette Mahlzeiten pro Tag lassen BDNF um 38 % absacken. Dass man von Junkfood nicht schlauer wird, dürfte jedem klar sein. Doch dass wir davon auch nicht gerade glücklicher werden und zusätzlich anfälliger für Stress, indem unser Stresszentrum jedes Mal einen Wachstumsdämpfer bekommt, hinterlässt erst recht einen unguten Beigeschmack. Mediterrane Kost für eine stabile Psyche und ein junges Gehirn Und nun zur Kernfrage: Macht der mediterrane Genuss auch psychisch stabiler? Studie um Studie beweisen, dass mit dieser Ernährung die wenigsten Depressionen auftreten (Meta-Analyse von 26 Studien). Zusätzlich lassen sich ein besseres Erinnerungsvermögen, ein besseres Arbeitsgedächtnis und ein geringerer geistiger Abbau nachweisen (14 Studien mit 41.492 Teilnehmern). Immer besser verstehen Wissenschaftler heute, dass Depressionen und Gehirnalterung durch die gleichen Entzündungsmechanismen ausgelöst werden. Mit mediterraner Ernährung können wir uns kurzfristig stressresistenter und glücklicher essen und langfristig das Gehirn jung erhalten. Die Darmgesundheit bestimmt die Psyche Es hört sich ein wenig wie Science-Fiction an: Unsere Psyche wird tatsächlich von winzigen mächtigen Mikroben gesteuert. 60 % unserer Zellen sind nicht menschlich, sondern Bakterien. Wir sind ein Mensch-Bakterien-Hybrid. Die Wirkung dieser bakteriellen Mitbewohner (Mikrobiom) auf die Psyche ist enorm.* Allerdings: Rund die Hälfte der Bakterienarten im Darm ist inzwischen durch die einseitige Ernährung in der westlichen Welt ausgestorben. 18 % der Deutschen leiden bereits am Reizdarmsyndrom mit Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten, Blähungen, Durchfall und Verstopfung sowie an entzündlichen Darmerkrankungen. Beim Reizdarm sind die Folgen auf die Psyche besonders deutlich. Um 39 % häufigere Angstzustände und um 28 % häufigere Depressionen sind die Quittung einer gestörten Bakterien-Gemeinschaft. Das zeigt eine Meta-Analyse von 73 Studien aus dem Jahr 2019. Gehirn-Regeneration durch Postbiotika Bakterien können ausschließlich Pflanzen- und Ballaststoffe verwerten. Daraus produzieren sie für uns Dutzende von Glückshormonen (Neurotransmitter) und wichtige Postbiotika, die die Entzündungen im gesamten Körper herunterfahren. Postbiotika halten auch das Gehirn und die Psyche gesund. Zusätzlich sind sie eine besonders verfügbare Energiequelle für das Gehirn, die uns hellwach und konzentriert macht. Mehr als die Hälfte unserer Ernährung ist jedoch inzwischen hochverarbeitet. Fett und Zucker werden „oben“ im Dünndarm verwertet, die Bakterien „unten“ im Dickdarm gehen dabei leer aus. Ihnen fehlen die Pflanzenstoffe, die sie verwerten könnten. Das hat Folgen: Die Postbiotika-Produktion beträgt nur noch ein Viertel im Vergleich zu jener einer traditionellen Ernährung. Dadurch nehmen die Entzündungen im Körper zu und greifen Darm und Gehirn an. Das Resultat: Wir fühlen uns müde, unkonzentriert – und werden psychisch labil. Den Bakterienmotor anwerfen Außer tierischer Nahrung enthält alles Essbare in der Natur Pflanzenstoffe. Nichts ist hochverarbeitet, geschweige denn besteht aus zusammengepanschten Zucker-Fett-Gemischen und Zusatzstoffen. Pflanzenstoffe halten unsere Bakterien produktiv. Die Mikroben benötigen dafür jedoch unterschiedlichste Pflanzenstoffe, denn sie sind hoch spezialisiert. Bestimmte Bakterienarten verwerten z. B. nur die Ballaststoffe aus Äpfeln, andere ausschließlich jene aus Haferflocken, wieder andere nur Ballaststoffe aus Zwiebeln. Ca. 1.000 Bakterien-Spezialtruppen sind bislang bekannt. Je bunter die Bakterien-Gemeinschaft, desto stabiler ist der Darm und desto mehr Postbiotika produzieren unsere Helfer für eine stabile Psyche. Täglich bunte Pflanzenpunkte zählen Die unterschiedlichen Biostoffe pro Tag kann man zählen. Je höher die Punktzahl, desto besser die Ernährung. Auf 15 bis 20 sollte man kommen. Zwei Beispiele: • Frühstück: Apfel, Orange, Mandeln, Walnüsse, Kürbiskerne, Leinsamen, Haferflocken, Honig, Mandelmilch 7 Pflanzenpunkte (ohne Honig und Mandelmilch). • Der frische Mittagssalat: Rucola, Pfirsich, gebratene Pilze, Pistazien, Linsen, Zitronen-Knoblauch-Honig-Senf-Dressing 7 Pflanzenpunkte (ohne Honig und Senf) Tatsächlich ist das Zählen von Pflanzenpunkten die einfachste Methode, um mehr Biostoffe in die Ernährung zu bringen und seine Bakterien ausreichend zu füttern. Sie werden erstaunt sein, wie wenig Biostoffe die meisten Menschen im Rahmen ihrer Ernährung zu sich nehmen. Arbeiten Sie sich langsam in der Punktzahl hoch. Dann wird Ihre Ernährung optimal. Ballaststoffe für eine stabilere Psyche Zusätzliche Ballaststoffe kurbeln die Tätigkeit gesunder Darmbakterien an! Tipp: Verzehren Sie gemahlenen Leinsamen, Haferkleie, Nüsse und die „neuen“ Mehle. Mandelmehl hat 4-mal so viele und Lupinenmehl 8-mal so viele Ballaststoffe wie normales Weizenmehl zum Backen. Tipp: Essen Sie mehr Hülsenfrüchte wie Linsen, Bohnen und Kichererbsen. Genießen Sie italienische Antipasti-Bohnensalate, Hummus statt Wurst und Käse, oder nutzen Sie vorgekochte Linsen aus dem Kühlschrank im Salat. All das erfreut Ihre Bakterien. Ernährungspsychiatrie – schwere Depressionen mit Ernährung verbessern Schwere Depressionen sind der Härtetest dafür, inwieweit eine verbesserte Ernährung die Psyche verändern kann. Das neue Feld der Nutritional Psychiatry (Ernährungspsychiatrie) beweist, dass sich selbst schwere Depressionen dank einer biostoffreichen Ernährung um ein Vielfaches erfolgreicher behandeln lassen als mit Antidepressiva oder Psychotherapie allein. Vor allem die Studie des Food and Mood Center an der Deakin Universität in Sydney erregte weltweit Aufsehen. Hier hatten sich durch eine biostoffreiche Ernährung schwere Depressionen bei einem Drittel aller beteiligten Patienten um 10 Punkte auf der Depressionsskala (MARDS) so stark zurückentwickelt, dass sie nur noch im Bereich einer depressiven Verstimmung lagen oder sogar ganz verschwunden waren. Antidepressiva konnten diesen Index hingegen nur um ca. 3 Punkte senken. Das Ergebnis der Biostoffe übertraf die Wirkung von Psychopharmaka also bei Weitem. Weitere unabhängige Studien zeigten vergleichbare Ergebnisse. Der biologische Anteil von Depressionen Während eine Psychotherapie an den zugrunde liegenden Problemen bei Depressionen ansetzt, sanieren Biostoffe wichtige Teile des Gehirns. Auf diese Weise kann der „biologische Anteil“ von Stimmungsschwankungen verändert werden, den ursprünglich Psychopharmaka verbessern sollten. In Australien und Neuseeland hat es die „Ernährungsveränderung“ mittlerweile sogar in den offiziellen klinischen Behandlungsrichtlinien für Depressionen auf Platz 1 der therapeutischen Maßnahmen geschafft – dank der zahlreichen ermutigenden Studienergebnisse. Abschließend lässt sich zusammenfassen: Biostoffe aus der Ernährung wirken wesentlich breiter auf das Gehirn, als Medikamente es je könnten. Mit den zahlreichen Pflanzenmolekülen, die das Wachstumshormon BDNF stimulieren, den antientzündlichen Pflanzenstoffen und den Postbiotika des Mikrobioms können wir unser Gehirn sanieren, es wird geschützt und altert langsamer. Jeder möchte Stress besser vertragen und eine gute Stimmung haben. Nutzen wir dazu das Feinlabor der Biostoffe für unsere Psyche! Andreas Jopp * Siehe auch in NATUR & HEILEN 6/2019: „Das GAP-Syndrom. Wie Darm und Psyche sich beeinflussen“ Über den Autor Andreas Jopp ist Medizinjournalist und Bestsellerautor. Er veröffentlichte 9 Bücher, die wochenlang auf den „Focus“- und „Spiegel“-Sachbuch-Hitlisten standen und in 17 Sprachen übersetzt sind. Literatur • Andreas Jopp: Happy Food statt Burnout – Wie wir uns glücklich, stressresistent und geistig fit essen. Consult Media Verlag, 2022.

Der Artikel "Essen für eine stabile Psyche" ist Teil der Audio-Ausgabe Mai 2023

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