Solidago

Zur Behandlung von Blasen- und Nierenentzündungen kennt die Phytotherapie kaum eine bessere Heilpflanze als die einheimische Goldrute. Weniger bekannt ist, dass die botanisch Solidago virgaurea genannte Pflanze auch auf die Psyche wirkt, wenn einem Menschen „etwas an die Nieren“ gegangen ist. Der positive Effekt der Heilpflanze bei Enttäuschungen und Belastungen in zwischenmenschlichen Beziehungen ist durchaus vergleichbar mit ihrer nachgewiesenermaßen guten Wirkung auf die ableitenden Harnwege. Es ist eine spannende Frage, warum manche Organe paarig angelegt sind, andere wiederum nicht. Auf den ersten Blick scheint es wenig logisch zu sein, dass wir nur ein Herz, aber zwei Nieren haben, und nicht umgekehrt – auf den zweiten jedoch nicht. Die Nieren sind ein paarig angelegtes Organ, weil sie aufgrund ihrer spezifischen Funktionen viel mit dem Thema Polarität zu tun haben, vor allem mit dem beständigen Schwanken des Stoffwechselhaushalts zwischen sauren und basischen Verhältnissen. Sie stellen das Gleichgewicht zwischen den sauren und basischen Kräften wieder her, wenn das Milieu in die eine oder andere Richtung zu entgleiten droht. Die Aufgabe der Nieren ist es, die Mitte zu halten. Wenn ein Mensch sagt, dass ihm etwas „an die Nieren“ geht, ist die Ursache dafür meist nicht das schlechte Wetter oder ein Verkehrsstau. „An die Nieren“ gehen vor allem menschliche Enttäuschungen. Wenn es in der Beziehung zu Menschen, die man liebt und für die man sich engagiert, zu Verletzungen und Frustrationen, Lieblosigkeit, mangelnder Anerkennung oder psychischer Ausbeutung kommt, kann das Beziehungsorgan Niere Schaden nehmen und mit Krankheitssymptomen reagieren. Die Nieren sind also ein paarig angelegtes Organ, weil sie im Körper für die Themen Dualität, Polarität, Ausgleich und Balance zuständig sind, und zwar im Bereich der Körperbiochemie und der Psyche. So wie eine Beziehung zwei Menschen braucht, um vollständig zu sein, ist das Organ, das im Bereich des Stoffwechsels den Ausgleich herstellt, ebenfalls zweifach angelegt. Wie sollte es auch anders sein angesichts einer solchen Aufgabe? Erkrankungen der Nieren können, so gesehen, auch ein Indikator für tiefgehende Dissonanzen in zwischenmenschlichen Beziehungen sein. Wird dann eine arzneiliche Zubereitung aus der Goldrute eingesetzt, stärkt diese nicht nur auf der körperlichen Ebene die Nierenfunktion, sondern sie entfaltet gleichzeitig auf der emotionalen Ebene heilsame Wirkungen. Besonderheiten der Signatur der Goldrute Die 20 bis 100 cm hohe Echte Goldrute – im Unterschied zu den beiden aus Nordamerika importierten Arten Solidago canadensis und Solidago gigantea – liebt trockene, helle Standorte in Wäldern und auf Lichtungen. Beeindruckend an ihr sind die intensiv gelben Blütenkörbchen, die in endständigen Trauben bzw. Rispen stehen. Sie blühen von Juli bis September. Mit den randständigen Strahlenblüten hat es etwas Besonderes auf sich: Im Gegensatz zu anderen Blüten, z. B. jenen der Sonnenblume, bilden die Blütenblätter keinen lückenlosen Kranz, in dem sich Blattursprung an Blattursprung reiht. Im Gegenteil: Sie entspringen am Blütenboden in relativ großen Abständen. Beim Betrachten einer geöffneten Blüte fällt diese Lückenhaftigkeit sofort auf. Der Blütenkranz hat große Löcher und wirkt ziemlich unvollständig. Doch wenn man genauer hinsieht, geschieht etwas Eigenartiges: Weil die Blütenstände außergewöhnlich eng beieinanderstehen, reichen die Blütenblätter der einen Blüte in die Lücken der Nachbarblüte hinein, sodass die Strahlenblüten der benachbarten Blütenkronen jeweils gegenseitig ihre Lücken füllen. Was an der einen Blüte unvollständig ist, wird durch die andere ergänzt. Was die eine Blüte an „Fülle“ besitzt, stellt sie der „Leere“ ihrer Nachbarblüte zur Verfügung, sodass von Weitem die Lückenhaftigkeit kaum noch auffällt, sondern die Blütenkronen durchaus vollständig zu sein scheinen. Die Goldrute verkörpert mit der besonderen Anordnung ihrer Strahlenblüten das Spiel zwischen Fülle und Leere, Viel und Wenig, Eindringen und Empfangen – die Pflanze scheint mit dem Thema Polarität auf ihre ganz individuelle Weise zu spielen. Darüber hinaus hat Solidago einen besonders innigen Bezug zum Thema des Fließens: Nicht nur, dass sie als Nierenpflanze die Wasserausscheidung anregt. Die Goldrute braucht über das natürliche biologische Bedürfnis einer Pflanze hinaus das Wasser als Lebenselixier. Wenn man sie schneidet und dadurch von der Wasserversorgung abtrennt, verliert sie in kürzester Zeit ihren Glanz. Blüten und Blätter werden matt, noch bevor der eigentliche Welkprozess beginnt. Solidago braucht die „ständige Anbindung an das fließende Element“ (Roger Kalbermatten). Wird sie davon abgeschnitten, beginnt sie sofort zu verkümmern. Vom Wundheilmittel zum Nierenmittel In der Kräuterheilkunde fand die in Europa, Nordamerika und Zentralasien heimische Pflanze zuerst im 16. Jahrhundert bei den Ärzten und Botanikern Adamus Lonicerus (1528–1586) und Hieronymus Bock (1498–1568) Erwähnung. Zeugnisse, die auf eine Verwendung bereits in der griechisch-römischen Antike hinweisen, sind bislang nicht bekannt. Bock schreibt allerdings, dass die Goldrute schon bei den Germanen stark im Gebrauch war. Die auch „heydnisch Wundkraut“ genannte Pflanze erhielt ihren Namen vom lateinischen solidare: befestigen oder solidum agere: festmachen, heilen, und sie wurde im Deutschen bisweilen auch „Heftkraut“ genannt – das pflanzliche „Heftpflaster“ für das schnellere Zusammenwachsen der Wundränder. Im Laufe der Jahrhunderte verlagerte sich das Hauptanwendungsgebiet der Goldrute vom Wundheilmittel zum Nierenheilmittel. Der italienische Arzt Petrus Matthiolus beschrieb bereits im 17. Jahrhundert Solidago als „gewaltig den Harn treibend und den (Nieren-)Stein brechend“. Im 18. und 19. Jahrhundert setzte man die Pflanze auch zunehmend bei chronischen Hautleiden und rheumatischen Beschwerden ein, vor allem bei Gicht. Der deutsche Arzt Johann Gottfried Rademacher schrieb über die Goldrute im 19. Jahrhundert: „Dieses Kraut ist ein gar altes und gutes Nierenmittel Es ist ein Eigenmittel auf die Nieren, es bringt die Erkrankten zum Normalstande zurück Ich habe die Goldruthe schon lange gebraucht und muss ihr viel Gutes nachsagen.“ In der Humoralpathologie, einem bis ins 19. Jahrhundert hinein geltenden Konzept über das Gleichgewicht und Ungleichgewicht der Körpersäfte, wird die Echte Goldrute als trocknend, zusammenziehend und konsolidierend beschrieben – Begriffe der antiken und mittelalterlichen Medizin für eine entzündungshemmende Wirkung. Inhaltsstoffe und Anwendungsgebiete In der Phytotherapie ist die Echte Goldrute das Nierenmittel ersten Ranges für die Anregung der Nierentätigkeit und die Regeneration des Nierenfunktionsgewebes, vor allem bei Entzündungen und Funktionsschwäche. Auch die Kanadische und die Riesengoldrute steigern die Wasserausscheidung, allerdings nicht so stark wie die Echte. Auch haben sie nicht deren entzündungshemmende und antibakterielle Wirkung. Die Echte Goldrute besitzt 1 bis 3 % Flavonoid-Glykoside, ferner Saponine, ätherische Öle, Phenol-Glykoside, Kaffeesäure-Derivate und Gerbstoffe. Für Solidago wurden diuretische, blutdrucksenkende und krampflösende Effekte nachgewiesen. Die Pflanze wird als entzündungshemmendes Diuretikum geschätzt, das vor allem für die Durchspülung bei entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege, bei Blasen- und Nierenentzündungen sowie Nierengrieß und -steinen Verwendung findet, wobei eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr von mindestens 2 Litern neutraler Flüssigkeit pro Tag eine wichtige Voraussetzung für die Wirkung ist. Auch Wassereinlagerungen als Folge einer beeinträchtigten Nierenfunktion bilden sich durch eine Therapie mit der Goldrute spürbar zurück. Solidago kann auch vorbeugend eingesetzt werden, um entzündliche Erkrankungen im Bereich von Nieren und Blase zu verhindern. Die Goldrute beruhigt Krämpfe im Urogenitalbereich ebenso wie die Symptome einer Reizblase. Sie eignet sich zudem zur Blasenpflege bei Katheterträgern wie auch zur Begleittherapie bei Rheuma und Pilzerkrankungen (Candida albicans), da sie über ihren entsäuernden Effekt das gesamte Stoffwechselmilieu verbessert. Die Pflanze ist ausgezeichnet verträglich und führt bei bestimmungsgemäßem Gebrauch zu keinerlei Neben- und Wechselwirkungen. Sie übt auch keine Reizwirkungen auf das Nierengewebe aus, was sie zu einer geeigneten Pflanze für eine Langzeitpflege des Nieren- und Blasengewebes macht. Solidago eignet sich daneben gut zur vorbeugenden Behandlung von Harnsteinen und Nierengrieß, wenn eine familiäre Veranlagung zu diesen Erkrankungen vorliegt. Darüber hinaus wird die Goldrute als Blutreinigungsmittel bei Gicht, Rheuma, Arthritis, Ekzemen und anderen Hauterkrankungen eingesetzt, wo sie, wie viele andere Saponin-Drogen, gute Erfolge bringt. Der Gerbstoffgehalt der Pflanze macht sie zudem zu einem wertvollen Antiphlogisticum bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum (Spülungen) sowie bei schlecht heilenden Hautwunden. Körperliche Beschwerden mit Goldrute lindern Wenn es vordringlich darum geht, Entzündungen von Nieren und Blase zu behandeln, bietet die Naturheilkunde zahlreiche arzneiliche Zubereitungen aus der Goldrute, die auch parallel zu schulmedizinischen Medikamenten eingesetzt werden können. Viele Solidago-Präparate sind Komplexmittel, werden also mit anderen Heilpflanzen gleicher Wirkungsrichtung kombiniert, z. B. Nestmann Solidago H32-Tropfen, Solidago spag. von Phönix oder Solidagoren Liquid von Dr. Gustav Klein. Um reine Goldruten-Präparate ohne weitere arzneilich wirksame Bestandteile handelt es sich bei der Solidago virgaurea-Urtinktur (z. B. DHU oder Urdrogerie) und beim Pflanzenextrakt Goldrute-Tropfen Bio von Heidelberger Chlorella. Wer im Fall einer Blasenentzündung zusätzlich zur arzneilichen Wirkung der Goldrute auch einen durchspülenden Effekt wünscht, kann Solidago virgaurea als Tee zu sich nehmen, sollte dabei aber auf Pflanzen aus biologisch-dynamischem Anbau achten (z. B. Goldrutenkraut vom Achterhof oder Bio Goldrute Tee von Tausendkraut). Beziehungen festigen mit Solidago Die Goldrute, die quasi zusammenheftet, was zusammengehört, und im Sinne des solidum agere etwas wieder festmacht und verbindet, was auseinanderklafft, hat neben ihrer Wirkung auf die Nieren auch einen psychotropen Effekt in dem Sinne, dass sie sich positiv auf „verwundete Beziehungen“ auswirkt. Und zwar dann, wenn die Verbundenheit zwischen Menschen auseinanderzufallen beginnt und sich die Betroffenen nicht mehr in positiver Weise ergänzen, wie es in guten Beziehungen der Fall sein sollte, seien sie privater oder beruflicher Art. Wenn das Verhältnis zwischen Eltern und einem Kind oder zwischen Mann und Frau in einer Partnerschaft, zwischen Geschwistern oder auch zwischen Arbeitskollegen zu einem Gegeneinander statt Miteinander geworden ist, kann die Einnahme einer Solidago-Urtinktur das Verhältnis beider Seiten wieder konstruktiver werden lassen: Statt gegeneinander zu arbeiten, beginnt man, sich wieder gegenseitig zu unterstützen – so wie die Blütenblätter der Goldrute gegenseitig ihre Lücken füllen. Sehr empfehlenswert ist hier die schonend hergestellte Urtinktur Solidago virgaurea des Schweizer Herstellers Ceres. Sie braucht nur sehr niedrig dosiert zu werden und besitzt eine starke Wirkung auf die Psyche. Bei allen Beziehungskonflikten im Rahmen von Partnerschaft und Beruf, bei Fällen von Mobbing in der Schule oder am Arbeitsplatz sowie in Situationen, in denen Menschen gegeneinander arbeiten, anstatt sich gegenseitig in ihren Stärken und Schwächen zu ergänzen, kann der Einsatz einer Ceres Solidago Urtinktur (in Apotheken erhältlich) die Beziehungsqualität entscheidend verbessern, insbesondere wenn die Konflikte schon „an die Nieren“ gegangen sind. Margret Rupprecht Über die Autorin Margret Rupprecht ist Heilpraktikerin und Medizinjournalistin in München (www.quinta-essentia.info). Bezugsquellen • Dr. Gustav Klein GmbH & Co. KG: www.klein-naturarznei.de, Tel. 07835 / 63 550 • Urdrogerie im Calendula Kräutergarten: www.urdrogerie.de, Tel. 0711 / 53 06 94 73 • Heidelberger Chlorella: www.heidelberger-chlorella.de, Tel. 06224 / 92 700 • Vom Achterhof: https://vom-achterhof.de, Tel. 04956 / 92 69-191 • Tausendkraut: www.tausendkraut.com, Tel. 06274 / 92 77 282 • Ceres-Heilmittel: www.ceresheilmittel.ch Literatur Roger und Hildegard Kalbermatten: • Pflanzliche Urtinkturen – Wesen und Anwendung. AT Verlag, 2021. • Psyche des Menschen und Signatur der Heilpflanzen. AT Verlag, 2020.

Der Artikel "Solidago" ist Teil der Audio-Ausgabe Juni 2024

Solidago

Pflanzengold für Nieren und Psyche

Editorial Juni 2024 · Vom Sinn des Lebens · Longevity-Medizin · Autophagie · Vitametik · Gürtelrose · Solidago · Resilienz und Weisheit · PLUS: Die komplette Ausgabe in einem Track

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