Planetary Health Diet

Den Planeten für kommende Generationen zu bewahren, ist eine der größten Herausforderungen der Menschheit. Zu den Hauptursachen von Klimawandel und Umweltzerstörung gehören die Produktion und der Konsum von Lebensmitteln, insbesondere von Fleisch. Doch nicht nur unser Planet befindet sich in einem fragilen Zustand, auch wir Menschen werden aufgrund unserer mangelhaften Ernährung immer kränker. Wir haben allerdings auch enorme Chancen auf Verbesserung: Wenn wir unsere Produktionsmethoden und Konsumweisen verändern, kann unsere Ernährung entscheidend zur Gesundheit von Mensch und Planet beitragen. Expert/innen haben mit der Planetary Health Diet eine Ernährungsweise entworfen, die die globalen Probleme lösen könnte – von Schadstoffemissionen bis hin zu Krankheiten. Mehr als 820 Millionen Menschen leiden weltweit an Hunger, während viele weitere Menschen nährstoffverarmte und/oder zu viele Nahrungsmittel zu sich nehmen. Gleichzeitig wird die Weltbevölkerung von derzeit knapp 8 Milliarden auf schätzungsweise 10 Milliarden Menschen bis zum Jahr 2050 ansteigen – eine Bevölkerung, die ausreichend ernährt werden muss. Die weltweite Nahrungsmittelproduktion, insbesondere die Massenproduktion von Fleisch, wiederum bedroht jedoch die Stabilität des Klimas sowie die Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme. 2016 wurde daher die EAT-Lancet-Kommission ins Leben gerufen – eine globale gemeinnützige Stiftung, gegründet von der norwegischen Stordalen Foundation, dem Stockholm Resilience Center und dem Britischen Wellcome Trust. Das Ziel: herauszufinden und ins Bewusstsein zu bringen, welche Ernährungsweise gleichzeitig gut für den Menschen und den Planeten ist, und ein faires und nachhaltiges Lebensmittelsystem zu etablieren. Basierend auf wissenschaftlichen Erhebungen und bestehenden Studien hat die Kommission eine sogenannte Planetary Health Diet aufgestellt, mit deren Hilfe es theoretisch möglich wäre, die prognostizierte Weltbevölkerung von 10 Milliarden Menschen bis 2050 gesund und umweltfreundlich zu ernähren. Doch Prof. Walter Willett, EAT-Co-Vorsitzender, betont auch: „Eine solche Umstellung wird erhebliche Veränderungen in der Ernährung erfordern.“ Ein neuer Ansatz Mittlerweile gibt es umfangreiche wissenschaftliche Belege für den Zusammenhang zwischen unserer Ernährung und der menschlichen Gesundheit. Das Fehlen weltweit vereinbarter wissenschaftlicher Ziele für eine gesunde Ernährung und eine nachhaltige Lebensmittelproduktion hat bisher jedoch groß angelegte und koordinierte Anstrengungen zur Umgestaltung des globalen Lebensmittelsystems behindert. Um diese Lücke zu schließen, hat die EAT-Lancet-Kommission 37 führende Wissenschaftler aus 16 Ländern und Disziplinen wie Gesundheit, Landwirtschaft, Politik und Umweltwissenschaften zusammengebracht, um wissenschaftlich fundierte Ziele für eine gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensmittelproduktion aufzustellen. Gleichzeitig berücksichtigt die Planetary Health Diet auch die Gegebenheiten der planetaren Belastbarkeitsgrenzen. Denn durch verarmte Ökosysteme, den Raubbau an unseren natürlichen Ressourcen und den beschleunigten Klimawandel laufen wir Gefahr, sensible Kipppunkte zu überschreiten und damit unwiderrufliche Veränderungen herbeizuführen. Veränderte Essgewohnheiten Essen gehört zu den schönsten Dingen im Leben. Doch die Essgewohnheiten haben sich während der letzten Jahrzehnte so verändert, dass sie meist nicht nur schlecht für unseren Körper und die Umwelt sind, sondern global auch zwei Extreme befeuert haben: Während mehr als 800 Millionen Menschen von Hunger betroffen sind, leiden 2,4 Milliarden Menschen an Übergewicht oder Adipositas. Viele davon haben gleichzeitig einen Mangel an Mikronährstoffen, da sie wenig abwechslungsreich essen und stark verarbeitete Lebensmittel von geringer Qualität mit wenig Nährstoffen zu sich nehmen. Am auffälligsten ist insgesamt der gestiegene Konsum von tierischen Produkten. Auswirkungen der Lebensmittelproduktion Auch die heutigen landwirtschaftlichen Methoden bringen laut EAT-Kommission viele gesundheitliche Probleme mit sich. Die Meere werden durch Düngemittel verunreinigt, die den Fischbestand bedrohen. Der intensive Einsatz von Antibiotika in der Viehwirtschaft wiederum verursacht Antibiotikaresistenzen. Und Pestizide reichern sich in der Nahrungskette so an, dass wir sie in konzentrierter Form zu uns nehmen, z. B. wenn wir wild gefangenen Fisch essen. Abgesehen davon sorgt die industrialisierte Landwirtschaft durch ihren Einsatz von Maschinen auch für ein hohes Maß an Luftverschmutzung sowie die Emission von Treibhausgasen – und sie setzt obendrein Treibhausgase frei, die sich eigentlich gebunden im Boden befinden. Umweltveränderungen bedrohen die Landwirtschaft „Die globale Lebensmittelproduktion gefährdet die Stabilität des Klimas und die Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme. Sie ist der größte Einzelverursacher der Umweltzerstörung und der Überschreitung der planetaren Grenzen“, betont Prof. Johan Rockström, EAT-Co-Vorsitzender. Gleichzeitig sorgen der Klimawandel bzw. extreme Wetterlagen ihrerseits immer häufiger für unsichere Ernten. Folglich wird sich die Menge der zur Verfügung stehenden Nahrungsmittel bis 2050 reduzieren – Studien sprechen von bis zu 3 %. Zudem werden Erderwärmung und Trockenperioden künftig für einen größeren Wassermangel sorgen, was erhebliche Konsequenzen für den Ackerbau mit sich bringen wird. Darüber hinaus sind viele Böden aufgrund der jahrzehntelangen intensiven Bewässerung und Erosion verarmt und versalzen. Ausgelaugte Böden wiederum haben eine Produktion von Lebensmitteln mit weniger Nährstoffen zur Folge. Das Tellermodell Das Potenzial, den Lebensmittelsektor, aber auch unsere Energiebilanz zu verbessern, ist enorm. Würden wir uns an die von der EAT empfohlene Ernährungsweise halten und uns unter anderem vermehrt pflanzlich ernähren, könnten die weltweiten Todesfälle laut EAT-Bericht um 6 bis 10 % sowie die globalen Treibhausgase um 29,7 % gesenkt werden. Zu den bisher bekanntesten allgemeinen Ernährungsempfehlungen gehört das sogenannte Tellermodell (siehe Grafik rechts). Dieses Modell besagt, dass proteinreiche Nahrungsmittel (wie Fleisch, Fisch, Eier oder Hülsenfrüchte) ein Fünftel der Portionsmenge ausmachen sollten. Bei Personen, die sich viel bewegen, sollte der restliche Teller zur Hälfte aus Kohlenhydraten (wie Kartoffeln, Pasta, Brot und Getreide) und zur anderen Hälfte aus Gemüse bestehen. Bei Personen mit weniger Bewegung sollte der komplette Teller etwa zur Hälfte aus Gemüse bestehen, die Kohlenhydrate sollten entsprechend reduziert werden. Das kommt auf den Teller Zusammengefasst kann man sagen: Auf den Teller gehören viel Obst, Gemüse, pflanzliche Öle und Vollkorngetreide und wenig tierische Produkte – vor allem wenig rotes Fleisch. Die Planetary Health Diet der EAT-Lancet-Kommission baut auf dem bisher bekannten Tellermodell sowie bestehenden Studien auf und berücksichtigt darüber hinaus auch eigene empirische Erhebungen. Sie stimmt mit vielen traditionellen Ernährungsmustern überein, besagt allerdings nicht, dass alle Teile der Weltbevölkerung genau die gleichen Lebensmittel essen sollten, und schreibt auch keine exakte Ernährung vor. Stattdessen umreißt sie empirische Lebensmittelgruppen und Verzehrbereiche. So empfiehlt die Kommission beispielsweise eine Aufnahme von 232 g Vollkorngetreide, 300 g Gemüse und 200 g Obst pro Tag. Hingegen sollten z. B. nur 14 g rotes Fleisch und 13 g Eier täglich konsumiert werden (siehe Tabelle S. 36). Prof. Walter Willett betont jedoch: „Eine lokale Interpretation und Anpassung der Planetary Health Diet ist unabdingbar und sollte die Kultur, Geografie und Demografie der einzelnen Bevölkerungsgruppen widerspiegeln.“ Nachhaltige Lebensmittelerzeugung der Zukunft Parallel zu den Empfehlungen der Planetary Health Diet hat die EAT-Lancet-Kommission in ihrem Bericht auch wissenschaftliche Ziele formuliert, um die empfohlenen Lebensmittelmengen innerhalb der planetaren Belastbarkeitsgrenzen produzieren zu können. Die notwendigen Veränderungen fasst Prof. Johan Rockström folgendermaßen zusammen: „Unsere Definition von nachhaltiger Lebensmittelproduktion setzt voraus, dass wir die Landnutzung nicht ausweiten, dass wir die existierende biologische Vielfalt erhalten, den Wasserverbrauch reduzieren und verantwortungsvoll mit Wasser umgehen, die Schadstoffbelastungen durch Stickstoff und Phosphor erheblich einschränken, die CO2-Emissionen auf null senken und keine weitere Zunahme der Emissionen von Methan und Stickoxiden verursachen.“ Es gebe zwar kein Wundermittel, um schädliche Produktionspraktiken zu bekämpfen, aber indem wissenschaftliche Ziele definiert würden, könne eine Ernährungsweise identifiziert werden, die nicht nur die menschliche Gesundheit, sondern gleichzeitig auch die ökologische Nachhaltigkeit fördere. Klima, Wasser, Boden & Co Während der Zusammenhang zwischen unserer Ernährung und unserer Gesundheit offensichtlich ist und sich u. a. an der Sterblichkeits- und Erkrankungsrate festmachen lässt, ist der Zusammenhang zwischen unserer Ernährungsweise und der Umwelt schon deutlich komplexer. Der am besten erforschte Umweltaspekt ist heute das Klima. Studien zufolge gilt es eindeutig als erwiesen, dass z. B. tierische Proteinquellen schlechter für das Klima sind als pflanzliche Quellen. 1 kg Rindfleisch hat einen Klimafußabdruck von bis zu 36 kg CO2. Im Vergleich dazu haben Hülsenfrüchte der gleichen Menge einen Klimafußabdruck von rund 1 kg CO2. Die klimaschädlichen Emissionen ließen sich also deutlich verringern, wenn wir mehr vegetarische und zudem saisonale Proteinquellen zu uns nehmen würden. Manche Lebensmittel haben außerdem einen deutlich höheren Wasserverbrauch als andere. Da Wasser ein knappes Gut auf dieser Erde ist, sollten diese Lebensmittel ebenfalls reduziert werden. Milchprodukte und Fleisch z. B. haben durchschnittlich einen bis zu 10-mal höheren Wasserverbrauch als pflanzliche Lebensmittel – wobei es auch bei pflanzlichen Produkten regelrechte „Wasserschlucker“ gibt, z. B. Zitrusfrüchte und Mandeln. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Bodennutzung: 80 % der heutigen landwirtschaftlichen Fläche dienen der Viehhaltung. Hierzu zählen auch jene Flächen, die für die Futtermittelproduktion genutzt werden. Die Erzeugung von Fleisch ist jedoch nicht besonders effektiv. Denn für 1 kg Schweinefleisch z. B. sind etwa 7 kg Futter nötig. Eine vorwiegend pflanzliche Ernährung ist daher letztlich auch bodeneffizienter. Biologische Vielfalt Zwar ist auch in puncto biologische Vielfalt eine pflanzliche Ernährung von Vorteil – allerdings hat vor allem die Agrarindustrie mit ihren großen Monokulturen und dem massiven Einsatz chemischer Pestizide negative Auswirkungen auf den Artenreichtum. Gleiches gilt für den Einsatz von Stickstoff und Phosphor – wobei hier die Tierhaltung für einen Großteil verantwortlich ist. Das liegt zum einen an den Unmengen an Stallmist und Urin, die produziert werden, zum anderen an den großen Mengen an Düngemitteln, die für die Produktion der Futtermittel eingesetzt werden. Die Planetary Health Diet verzichtet jedoch nicht gänzlich auf Fleisch und Fisch. Vielmehr geht es um einen reduzierten Verzehr und darum, das Fleisch umweltfreundlich zu produzieren. Lebensmittelabfälle Ein Drittel unserer Lebensmittel geht während der gesamten Wertschöpfungskette verloren oder wird weggeschmissen. Lebensmittelabfälle sorgen für den Ausstoß an zusätzlichen Treibhausgasen und die Verschwendung von natürlichen Ressourcen. Durch das Eindämmen der Lebensmittelverschwendung könnte einiges an Fläche naturbelassen bleiben, andere Flächen könnten für eine extensive, umweltfreundliche Landwirtschaft genutzt werden. Laut EAT-Lancet-Kommission müssten wir die Lebensmittelabfälle um rund die Hälfte reduzieren und gleichzeitig unsere Ernährung verändern, um die globale Lebensmittelversorgung ins Gleichgewicht zu bringen und alle Menschen ernähren zu können. Ausnahmen bestätigen die Regel Es gibt eindeutige Synergien zwischen einer umweltfreundlichen und einer gesunden Ernährung: Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Nüsse und Samen, die zu unserer Gesundheit beitragen, sind meist auch deutlich schonender für unsere natürlichen Ressourcen. Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen. Zwar ist z. B. der Anbau von Zuckerrüben anbaueffizient, ein hoher Verzehr von Zucker jedoch höchst ungesund. Ein anderes Beispiel: Die EAT empfiehlt, wöchentlich 2 Portionen Fisch zu essen. Doch sind die Fischbestände vielerorts verarmt oder sogar komplett ausgebeutet. Bestimmte Lebensmittelgruppen per se als gut oder schlecht einzustufen, ist daher nicht immer zielführend und sinnvoll. Win-Win Die EAT-Lancet-Kommission hat mit der Planetary Health Diet erstmals einen globalen Rahmen mit wissenschaftlichen Zielen geschaffen für eine nachhaltige und faire Lebensmittelproduktion. Sie zeigt, dass es theoretisch möglich wäre, auch 10 Milliarden Menschen mit einer gesunden Ernährung innerhalb unserer planetarischen Grenzen zu versorgen. Allerdings müssen dazu Akteure auf allen Ebenen aktiv werden, um die von der Kommission entwickelten Ziele umzusetzen – von der Politik über die Wirtschaft bis hin zur Landwirtschaft. Einen wichtigen Beitrag kann aber auch jeder Einzelne leisten – durch die Wahl der konsumierten Lebensmittel. 10 zentrale Empfehlungen der EAT für eine nachhaltige und gesunde Ernährung • Nutzen Sie vornehmlich pflanzliche Quellen zur Proteinversorgung, z. B. Hülsenfrüchte, Obst, Gemüse, Getreide, Nüsse und Samen. • Nehmen Sie Kohlenhydrate vor allem aus Vollkorngetreide zu sich. • Schränken Sie den Verzehr von Eiern und Geflügel (insbesondere Huhn) ein. • Schränken Sie die Menge an gesättigten Fettsäuren (wie Butter und Sahne) ein. Nutzen Sie lieber pflanzliche Öle, die aus ungesättigten Fettsäuren bestehen. Vermeiden Sie zudem zugesetzten Zucker und Übermengen an Salz. • Verzehren Sie Milchprodukte nur in Maßen. • Reduzieren Sie rotes Fleisch deutlich, oder verzichten Sie gänzlich darauf. • Kaufen Sie hochwertiges Fleisch von Naturweiden aus der Region zur Förderung der biologischen Vielfalt. • Bringen Sie 2-mal pro Woche Fisch auf den Tisch (vorzugsweise kleine Fische). • Wählen Sie bevorzugt ökologisch produzierte Lebensmittel. • Greifen Sie vor allem zu regionalen und saisonalen Lebensmitteln. Laura von Ketteler Über die Autorin Laura von Ketteler hat Nachhaltige Entwicklung studiert und ist freiberufliche Journalistin. Ihre thematischen Schwerpunkte liegen in den Bereichen Nachhaltigkeit, Lebensmittelproduktion und Ernährung. Literatur und weiterführende Informationen • Summary report of the EAT-Lancet-Commission, Healthy diets from sustainable food systems: Food, Planet, Health, 2019. https://eatforum.org/content/uploads/2019/07/EAT-Lancet_Commission_Summary_Report.pdf • Johan Rockström: Eat Good, Gerstenberg, 2019.

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