Hilfen bei Verspannungen im Kieferbereich
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Den wenigsten Menschen ist bewusst, was der Kiefer und die Zähne Tag für Tag für sie leisten. Diese Bereiche unseres Kopfes sind enormen Kräften ausgesetzt. Beim Zerkleinern unserer Nahrung bringt die Kaumuskulatur einen Druck von bis zu 100 kg pro Quadratzentimeter zustande. Dies entspricht einem Druck von zwei 50 kg Säcken, die auf einem Backenzahn liegen. Bei einem angespannten Kiefer kann sich der Druck sogar noch steigern.
Zwischen 15 – 18 % der Frauen sind von Schmerzen im Gesicht, in den Kaumuskeln, in den Kiefergelenken oder im Ohrenbereich geplagt, wohingegen nur etwa 9 % der Männer davon betroffen sind. Diese Symptomatik verschwindet jedoch im Alter fast völlig, erfahrungsgemäß leiden nur noch 2 % der über 64-Jährigen daran.
Die Zähne haben bei normaler, entspannter Mundstellung gar keinen Kontakt miteinander. Wenn der Mensch die Zähne zeigt oder sie zusammenbeißt, entstehen in der Muskulatur enorme Zugkräfte. Auch in Phasen höchster Konzentration ist die Spannung im Kopf- und Kieferbereich sehr hoch, ebenso bei vielen Menschen während der Traumphase, während der Verarbeitung psychischer Belastungen des Tages (Stress) also. Der Volksmund sagt dies in direkten deutlichen Redewendungen, wie beispielsweise: “Die Zähne an etwas ausbeißen”, “Die Zähne zusammenbeißen”, “Auf dem Zahnfleisch daherkommen”.
In der Urzeit hatte das bewusst ausgelöste Zähneknirschen die Funktion der Warnung und Abwehr von Feinden. In vielen Fällen finden sich heutzutage aber seelische Konflikte als Ursache. Dadurch, dass wir unsere Ängste nicht zeigen wollen und unsere Nervosität verbergen, steigt der innere Druck. Muskelverspannungen, die daraus resultieren, geben diesen inneren Druck unkontrolliert und meist völlig unbewusst an den Kiefer- und Kauapparat weiter. Denn die Muskelspannung wird durch das vegetative, willentlich nicht beeinflussbare Nervensystem erzeugt, vornehmlich durch den Sympathikus-Anteil, der für Spannung sorgen muss.
Neben dem Knirschen gibt es noch das Zahnklemmen. Hierbei werden die beiden Kiefer sehr fest zusammengepresst, ohne dabei eine Kaubewegung zu vollführen. Bei diesem überfesten Pressen kann es schlimmstenfalls zum Absterben aller Zähne kommen. Denn durch den hohen Kaudruck wird der Zahn in sein Zahnfach hineingedrückt. Dabei wird die Blutversorgung des Zahnes unterbrochen. Eine längere Unterbrechung führt zwangsläufig zum Absterben der Pulpa. In der Fachsprache wird das Zähnepressen und -knirschen als “Bruxismus” bezeichnet.
Beim Zähneknirschen kann es zu Schmelzabsplitterungen und zu einer massiven Kauabnutzung der Zähne kommen, was den Zähnen von Knirschern eine erhöhte Kälteempfindlichkeit beschert. Die hohen Spannungen übertragen sich vom Kiefergelenk auf die Umgebung. Zuerst verspannen und verhärten sich die Kaumuskeln, dann die Muskulatur von Hals und Nacken. Auch Kopfschmerzen sowie chronische Ohrgeräusche (Tinnitus) können Folgen des Knirschens sein. Verspannungen im Kieferbereich können aber auch Auswirkungen auf den gesamten Organismus haben. Über Muskelstränge, Nerven- und Energiebahnen (Meridiane) werden diese Spannungen an andere Teile im Körper weitergegeben. Unangenehme und oft auch schmerzhafte Beschwerden der verschiedensten Art können die Folge sein.
Zahnärztliche Hilfe – z. B. durch eine individuell angepasste Zahnschiene – und Craniosacral Balancing oder Osteopathie bilden Möglichkeiten zur Verbesserung und Linderung. Eine professionelle, ganzheitliche Entspannung dieses ganzen Bereiches sollte auch das Becken mit einbeziehen, denn Becken und Kiefer arbeiten wie in einem Mobile zusammen. Der Nacken und der Übergang vom ersten Halswirbel zum Hinterhaupt (der Atlas) sind ebenfalls aktive Mitspieler.
Aber auch die Selbsthilfe nimmt in der Behandlung des Kiefers mittlerweile einen wichtigen Stellenwert ein, denn tägliche Übungen bewirken am meisten, zumal mehr und mehr Menschen die Verantwortung für ihre eigene Gesundheit übernehmen. Bestimmte Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Yoga oder Progressive Relaxation nach Jacobson sowie sportliche Aktivitäten können helfen.
Ein weiteres probates Mittel ist, sich selbst im Tagesablauf zu beobachten, in welchen Situationen man in Anspannung gerät und die Zähne zusammenbeißt, ob (auch nur leicht) geknirscht wird oder die Zunge gegen den Gaumen gedrückt ist. Hier kann durch bewusstes Entspannen und Bearbeiten der Konfliktsituationen auch für eine allmähliche nächtliche Entspannung gesorgt werden.
Hierzu wurde auch die CD “Selbsthilfeübungen zur Kieferentspannung” herausgebracht (Bestellung: Tel. 0171 328 73 04, https://www.peter-seitz.info/die-cd-zur-kieferentspannung/sieben-%C3%9Cbungen-zur-kieferentspannung).
Zusätzlich ist es sehr wohltuend, sich selbst liebevoll immer wieder die Kiefergelenke, die Ohren, den Schädel, die Stirn und das ganze Gesicht zu massieren.
Das gesamte Kieferareal und die Zähne tragen einen wesentlichen Anteil an unserer “entspannten Aufrichtigkeit” und der Körperstatik – sie sollten also gut umsorgt sein.
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