Vergessene Bräuche und Gerichte zum Gründonnerstag
Um Fastenzeit, Karwoche und das Osterfest ranken sich besonders viele Bräuche, die teilweise heidnischen und volkstümlichen, meistens aber kirchlichen Ursprungs sind. Abgesehen vom Ostereierfärben geraten sie jedoch immer mehr in Vergessenheit, zumindest aber ihr Sinn. Wer kennt beispielsweise noch die Bedeutung des Gründonnerstags? Für die meisten ist es lediglich der letzte Arbeitstag vor Ostern, an dem viele in den wohlverdienten Osterurlaub aufbrechen.
Woher die Bezeichung “Grün”-Donnerstag kommt, ist umstritten. Nach volkstümlicher Auslegung aßen die Leute an diesem Tag traditionsgemäß etwas Grünes, nämlich erste frische Frühlingskräuter. Der Hintergrund ist, daß an diesem Tag die öffentlichen Büßer wieder die Eucharistie, also das Abendmahl, mitfeiern durften. Die Büßer hießen die “Grünen”, weil sie dank ihrer Buße – seit Aschermittwoch – wieder zu lebenden grünen Zweigen der Kirche wurden.
Um Reinigung geht es in einem der wichtigsten Gründonnerstags-Bräuche – der Fußwaschung. 12 ausgewählten Frauen und Männern der Gemeinde werden vor der abendlichen Eucharistiefeier vom Priester die Füße gewaschen, in Rom 12 Bischöfen vom Papst. Man erinnert sich an das Abendmahl Jesu mit den 12 Jüngern. Nach orientalischer Sitte reinigte ihnen Jesus die Füße mit Wüstenstaub – sein letzter Liebesdienst vor seiner Festnahme und Hinrichtung.
Allem, was am Gründonnerstag passierte, wurde übernatürliche Bedeutung beigemessen. Deshalb gingen die Bauernfamilien früher in ihren Obstgarten und beteten drei Vaterunser. Das “Baumbeten” sollte für reiche Ernte sorgen. Kinder, die am Gründonnerstag geboren wurden, hatten die Fähigkeit zum “zweiten Gesicht”, also die Gabe, Ereignisse der Zukunft vorauszusehen. Eiern, die am “Antlaßtag” gelegt wurden, schrieb man magische Kräfte zu. Vielerorts fanden sogenannte “Ölberg-Prozessionen” statt.
Einer der bekanntesten Gründonnerstagsbräuche ist jedoch die Zubereitung einer grünen Fastenspeise. Beliebt sind: Spinat zu gekochten oder gebratenen Eiern, ein Kräutersüppchen aus Kerbel oder Sauerampfer oder grüne Soße zu Rindfleisch, die eine typisch hessische Spezialität ist. Je nach Geschmack enthält sie mehr oder weniger gehacktes Ei, Öl, Essig, Sahne, immer jedoch mindestens sieben der Kräuter Kerbel, Petersilie, Schnittlauch, Borretsch, Estragon, Pimpinelle, Sauerampfer, Zitronenmelisse, Liebstöckel und Basilikum.
Am Gründonnerstag werden traditionell auch die Osterlämmchen aus Biskuitteig gebacken, die beim Osterfrühstück den Tisch schmücken. Die dafür erforderliche spezielle Backform bekommt man in Haushaltswarenläden.
IhT
NATUR & HEILEN 4/98