Ysop – ein in Vergessenheit geratenes Kraut
Ysop (hebräisch: „heiliges Kraut“) ist ein Strauch aus der Familie der Lippenblütler, der in südlichen Gefilden weitverbreitet ist und bis zu 90 cm Höhe erreicht. Er hat eine lange Tradition in der Heilkunde und wurde schon in biblischen Zeiten als Desinfektionsmittel verwendet. Moses soll ihn eingesetzt haben, um sein Volk gegen die Pest zu schützen. Die Perser ihrerseits verwendeten das Kraut, um daraus eine Hautpflegelotion herzustellen. Seine vorderste und erste medizinische Anwendung erfolgte jedoch als Tee, der schleimlösende Wirkung zeigte und deshalb bei chronischen Atemwegserkrankungen verordnet wurde. Die alten Griechen nutzten Ysop zur Behandlung von Blutergüssen, Narben und Karies.
Im 9. Jahrhundert brachten Mönche den Strauch aus dem Orient nach Nordeuropa und bauten ihn dort in den Klostergärten an, wo er als Gewürz- und Medizinalpflanze kultiviert wurde.
In der Physica der heilkundigen Äbtissin Hildegard von Bingen (1098–1179) ist Ysop Bestandteil eines leberfreundlichen Kochrezepts. Der englische Arzt und Kräuterkundler Nicholas Culpeper (1616–1654) hielt noch weitere Erfahrungen fest: Linderung bringe er bei Ohrensausen und Zahnweh.
Geschmacklich erinnern die Blätter und Blüten an die Pfefferminze, zusätzlich nimmt man sie durch die vorhandenen Gerbstoffe als leicht bitter wahr. In sparsamer Verwendung gewinnen Suppen, Eintöpfe, Fleisch- und Fischgerichte durch den kräftig würzenden Ysop eine feine, mediterrane Note. Junge, klein gehackte Blätter werten Salate und Gemüse auf. Im Orient, ähnlich wie in Griechenland und Italien, wo das Kraut regelmäßig in Speisen und Getränken zu finden ist, gibt es alkoholische Getränke, die mit Ysop gewürzt sind. Auch hierzulande taucht es hin und wieder in Rezepturen für Kräuterliköre auf.
Ysop verfügt über reichlich Vitamin C, fördert die Verdauung und wirkt bei Heiserkeit und Husten als Tee oder Tinktur schleimlösend und auswurffördernd. Generell regt Ysop den Appetit an und gilt als schweiß- und entzündungshemmend, wurmtreibend und stimmungsaufhellend. Bei Gallen- und Nierensteinen, Gelbsucht, Rheuma sowie äußerlich als Abkochung bei Augenlider- und Ohrenentzündungen oder als Gurgelwasser bei Halsschmerzen ist er ebenso empfehlenswert. Zudem hilft Ysop als Salbe oder in Form von Kompressen gegen Schnittwunden, Herpes und Narben. Sein Öl besitzt antiseptische und antivirale Wirkung. Für medizinische Zwecke sollte Ysop unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden.
Katja Chmelik
© NATUR & HEILEN, September 2021