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Nicht kennzeichnungspflichtige technische Hilfsstoffe

Von Zusatzstoffen in Lebensmitteln wird viel berichtet. Was aber sind technische Hilfsstoffe, welche Aufgaben und Wirkungen haben sie und wie kann ich sie erkennen?
 

Antwort
Niemand kennt sie, niemand schmeckt sie und doch sind sie da: Hilfsstoffe oder technische Hilfsstoffe sind Zusatzstoffe zu Lebensmitteln. Sie dürfen europaweit jedoch ohne ausdrückliche Deklaration verwendet werden, wenn sie in “technisch unvermeidbaren und gesundheitlich unbedenklichen” Resten im fertigen Produkt verbleiben oder nicht mehr nachweisbar sind. Zu den Hilfsstoffen gehören etwa Entfärber, Extraktions- und Lösungsmittel, Klär-, Antischaum- und Antiklumpmittel sowie Entkeimungs-, Kontaktgefriermittel, Treibgase und Oberflächenbehandlungsmittel. Einige Beispiele: Die Antiklumpmittel wirken wie einst das Reiskorn im Salzstreuer. Sie sind nicht als Einzelsubstanz deklarationspflichtig, obwohl Allergien bekannt sind. Der neue Trend geht dahin, dass die Antiklumpmittel immer mehr durch so genannte funktionale Additive, also durch nicht deklarationspflichtige Hilfsstoffe, ersetzt werden. Auf eines dieser Additive, nämlich Chitin oder Chitosan, kommen wir noch zurück.
Einen weiteren großen Bereich umfassen die Oberflächenbehandlungsmittel: Äpfel werden gewachst, bei Rosinen wird die natürliche Wachsschicht der Trauben mit Kaliumcarbonat entfernt, damit sie schneller trocknen, und Zitrusfrüchte und Bananen werden mit Diphenyl bzw. Thiabendazol gegen Fäulnis und Schimmelbefall behandelt. In diesen Bereich der nicht bewilligungspflichtigen Zusatzstoffe gehören auch die meisten Enzyme und Aromastoffe. Fachleute gehen davon aus, dass insgesamt in der Lebensmittelherstellung wesentlich mehr technische Hilfsmittel als deklarationspflichtige Zusatzstoffe verwendet werden.

Ein völlig neues Problem hatte die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie mit der Einführung von PET-Flaschen zu lösen. In Polyethylenterephthalat (PET), einen thermoplastischen Kunststoff, können keine heißen Flüssigkeiten gefüllt werden. Das bedeutet, dass Softdrinks, die einen großen Anteil am Getränkevolumen einnehmen, ohne Erhitzung entkeimt werden müssen. Die Anforderungen an ein Kaltentkeimungsmittel gehen stets dahin, dass es toxikologisch unbedenklich, aber auch bis zum Genuss oder Verzehr des Getränks oder Lebensmittels aktiv bleiben muss. Bei der Kaltentkeimung von Fruchtsaftgetränken, Cola, Eistee in PET-Flaschen kommt ein Zusatzstoff mit dem chemischen Namen Dimethyldicarbonat (E 242) ins Spiel. Die farblose, leicht stechend riechende Flüssigkeit muss von Lebensmitteln getrennt gelagert werden, da sie ätzend, leicht entflammbar und giftig ist. Dimethyldicarbonat ist als deklarationsfreies Kaltentkeimungsmittel zugelassen. Es wird unter dem Handelsnamen Velcorin vertrieben.

E 242 ist als Lebensmittelzusatzstoff weder mit dem Namen, noch mit der E-Nummer anzugeben. Dieses funktionale Additiv kann deshalb eingesetzt werden, weil es im Wasser innerhalb kürzester Zeit zerfällt, das Lebensmittel dabei desinfiziert, aber nach dem Öffnen der PET-Flaschen nicht mehr nachweisbar ist. Selbstverständlich existiert – wie das üblich ist – eine Reihe von toxikologischen Studien, die dem Entkeimungsmittel Unbedenklichkeit attestieren. Doch Dimethyldicarbonat hat einen Vorgänger, das chemisch eng verwandte Diethyldicarbonat. Letzteres musste Mitte der siebziger Jahre vom Markt genommen werden, weil sich herausstellte, dass sich die flüchtige alkoholische Verbindung zusammen mit Stickstoff in Lebensmitteln zu krebserregenden Urethan reagierte.

In der Crevetten- und Krabbenverarbeitung fallen viele Abfälle an. Der Chitinpanzer nimmt einen größeren Anteil am Gesamtgewicht ein als das gesuchte kalorienarme Fleisch. Mittlerweile gibt es zahlreiche Verwendungsmöglichkeiten für das Chitin, da dieses weltweit in mehreren Millionen Tonnen anfällt und teuer entsorgt werden müsste. Durch den biochemischen Abbau zu Chitosan und eine weitere Modifizierung ist es ein vielverwendeter, nicht deklarationspflichtiger Lebensmittelzusatz als fungizides Konservierungsmittel, als Antioxidans, als Mittel zur Klärung von Fruchtsäften und zur Abtrennung von Milchfett aus Molke, als Rieselhilfs- und Antiklumpmittel. Chitosan ist ein wichtiger Kosmetikzusatz und vor allem als Schlankheitsmittel im Gespräch. Dem Produkt des Krabbenpanzers wird nachgesagt, dass es Fett im Körper bindet. Die “Deutsche Gesellschaft für Ernährung und Diätetik” betont jedoch, dass dieser Effekt nicht nachgewiesen ist.
Heinz Knieriemen

© 2008 NATUR & HEILEN, Beratungsservice

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