Rückbesinnung auf uns selbst
Interview mit Eugen Drewermann
Oft sind es nicht die großen Schicksalsschläge im Leben, die uns gesundheitlichen Schaden zufügen, sondern der Stress, dem wir in unserem Alltag ausgesetzt sind. In einer Gesellschaft, die extremen und oft krankmachenden Idealen nacheifert, ist Stress ein selbstverständlicher Bestandteil des Lebens geworden. Solange wir Menschen und die Gesellschaft, in der wir leben, von dieser Maßlosigkeit angetrieben werden, werden wir weiterhin immer häufiger erkranken – oder sogar vorzeitig sterben – als Individuen und früher oder später auch als Gesellschaft oder als Spezies. Erst wenn wir uns auf uns selbst und die eigenen Werte besinnen, ist ein Prozess der Heilung möglich – so die Auffassung von Eugen Drewermann, dem bekanntem Theologen, der aufgrund seiner kritischen Haltung gegenüber der Amtskirche letztlich die Suspension vom Priesteramt erhielt. Mit ihm sprach Doris Iding, Journalistin und Autorin mehrerer Bücher über Buddhismus und Spiritualität.
Interview mit Eugen Drewermann Der Buddhismus kennt drei grundlegende Krankheiten des Geistes: Gier, Hass und Unwissenheit. Könnte dies auf unsere heutige Gesellschaft übertragen werden? Eugen Drewermann: Von der Gier ist unsere Kultur natürlich durch ihre maßlosen Geldvermehrungsstrategien betroffen. Subjektiv leiden die meisten Menschen unter stressbedingten Symptomen. Sie fürchten den Verlust des Arbeitsplatzes, haben das Gefühl, permanent überfordert zu sein, fühlen[…]